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Serie & Film: „House Of Cards“: Staffel 6 ohne Kevin Spacey?

Der Artikel enthält potenzielle Spoiler zum Seriengeschehen!

Info: Was ist „House of Cards“?
Bei der amerikanischen Netflix-Eigenproduktion „House Of Cards“, die oft als Polit-Thriller-Drama kategorisiert wird, geht es zu Beginn um einen Kongressabgeordneten der USA namens Frank Underwood, gespielt von Kevin Spacey in der Rolle des Hauptcharakters, der machtgierig und rücksichtslos, im festen Griff seines eigenen Egos, seinem politischen Aufstieg entgegenstrebt. Im Laufe der Serie zahlt sich das aus: Durch geschicktes Anrichten von Chaos in der amerikanischen Politik wird er Präsident der USA. Seine Präsidentschaft bröckelt aber spätestens ab seiner zweiten Amtszeit, die er nur mit Ach und Krach erringen kann, immer mehr, bis es zu der kritischen Situation gegen Ende der 5. Staffel in „House Of Cards“ kommt, für welche nicht einmal die Gründerväter der Vereinigten Staaten im 18. Jahrhundert vorgesorgt haben.

Unter Netflix-Zuschauern und selbst unter Kritikern gilt die Polit-Thriller-Serie „House of Cards“ als eine der besten Produktionen des Jahrzehnts, manch neuer Netflix-Zuschauer spendierte dem amerikanischen Streamingdienst, der als Ablösung des klassischen Fernsehens gilt, ein Abonnement, weil er unbedingt in den Genuss der Netflix-eigenen Polit-Thriller-Serie kommen wollte. Doch im November letzten Jahres kam der Schock für alle Liebhaber und Fans der Serie: Die Produktion der mittlerweile 6. Staffel wurde aufgrund von sexuellen Vorwürfen, die Kevin Spacey ab sofort belasten sollten, vorübergehend gestoppt und fast im gleichen Zuge wurde mitgeteilt, dass nach Staffel 6 zum Bedauern der Zuschauer wohl Schluss sei mit der Serie. „Die Entscheidung gegen eine 7. Staffel sei bereits vor Monaten gefallen“ -so ein Netflix-Sprecher im November 2017. Dem weltbekannten Schauspieler, der bei Weitem nicht nur durch „House Of Cards“ bekannt ist, wird unter anderem vorgeworfen, den „Star Trek Discovery“-Schauspieler Anthony Rapp vor knapp 30 Jahren sexuell belästigt zu haben. Für Netflix ein absolutes No-Go: Die Produktion von Staffel 6 wird gestoppt und nur wenig später folgt die Ankündigung, dass die letzte Staffel „House Of Cards“ ohne Kevin Spacey abgedreht wird.
Unter anderem wird die Idee eines Spinn-Offs mit Schauspieler Michael Kelly, der in House of Cards unter dem Namen Douglas Stamper die Rolle des Stabschefs des machtgierigen Kongressabgeordneten und späterem US-Präsidenten Frank Underwood, gespielt von Kevin Spacey, einnimmt. Gerade nach der #MeToo-Bewegung in der Schauspielindustrie, bei welcher sich zuerst einige SchauspielerInnen zu sexuellen Übergriffen während ihrer Schauspielarbeit äußerten, bekamen solche Vorfälle in oder um Hollywood mehr Aufmerksamkeit und die Hashtag-Bewegung bewegte mehr und mehr SchauspielerInnen, wie auch in diesem Fall Anthony Rapp, sich zu sexuell bedingten Übergriffen bei ihrer Arbeit zu äußern.
Eines ist klar: Durch sexuelle Übergriffe oder sexuell anmutende Übergriffe macht man sich nicht nur strafbar, man verpestet das Arbeitsklima und die Qualität des Gespielten der Schauspieler lässt folglich nach – und das macht sich dann im Endergebnis eindeutig bemerkbar. Aber was in vielen Kommentaren & Berichten der Medien oft gar nicht erwähnt wird – die Vorfälle sind nicht bewiesen. Es wurden lediglich Ermittlungen eingeleitet, die bisher ohne Ergebnis blieben.

Ist es also richtig von Netflix eine laufende & erfolgreiche Serie aufgrund von unbewiesenen Vorwürfen durch einen solch schon fast radikalen Schritt ein Aus zu setzen und den betroffenen Schauspieler zu „entfernen“? Netflix’ Absichten sind klar: Sich so schnell wie möglich von Kevin Spacey zu trennen, um den eigenen Konzern zu schützen und die Sache zum Problem des Schauspielers zu machen.
Das Vorgehen von Netflix ist also, wenn man sich versucht in den Konzern hineinzuversetzen, verständlich: Das Image der eigenen Firma darf nicht unter möglicherweise begangenen Straftaten eines bei ihnen eingestellten Schauspieler leiden oder untergehen. Aber im Interesse der Fans und Zuschauer wurde hier nicht gehandelt, Netflix’ Äußerung, es stehe schon seit Monaten fest, der Serie nach Staffel 6 einen Abschluss zu spendieren, wirkt eher wie eine notdürftige Ausrede, um ihren radikalen Entschluss, der im eigenen Interesse gefällt wurde, leicht rechtfertigen zu können. Auch ist zu sagen, dass ein Spin-Off mit einem der anderen Hauptcharaktere, um die es sich in der Serie dreht, kein Ersatz für eine vollwertige Serie bietet. Wünschenswert wäre eine Aktion, die den Netflix-Zuschauern mehr entgegengekommen wäre. Die Vorwürfe gegen Kevin Spacey sollten ernst genommen werden, dennoch ist die Arbeit, die er tagtäglich leistet, Kunst. Kunst eines Schauspielers, der in der Vergangenheit bereits Großartiges für die Schauspielindustrie geleistet hat und dessen Schauspielkarriere sich auf einem Höhepunkt befand. Man sollte sich bezüglich der Kunst, nicht von den charakterlichen Stärken und Schwächen des Schauspielers beirren lassen. Wenn ich mir einen Film oder eine Serie anschaue, möchte ich nicht darüber unterrichtet werden, welche Straftaten der Schauspieler in den letzten 20 Jahren verübt hat. Es geht um den Charakter, den er im Film darstellt, nicht um den Charakter, den er im realen Leben verkörpert. Das wird von vielen Menschen fälschlicherweise verknüpft.

Die Ermittlungen wurden bis heute nicht abgeschlossen und es gab keine rechtskräftige Entscheidung, denn eine freie und wie aus heiterem Himmel gefallene Aussage eines Hollywood-Schauspielers gegen einen weltbekannten Schauspieler, den bisher noch kein öffentlicher Skandal belastet hat, ist keinesfalls glaubwürdig, geschweige denn rechtskräftig, wie oft fälschlicherweise berichtet wurde. Es gab niemanden, der diese Anschuldigung von Anthony Rapp verifizieren, bezeugen oder als geltendes Urteil, wodurch Netflix gezwungen worden wäre, den Schauspieler zu kündigen, anerkennen konnte.

Zwischenstand: Nicht verifizierbare Aussagen von einem noch relativ unbekannten Hollywood-Schauspieler, die die Schauspielkarriere eines erstklassigen Schauspielers, der unter anderem für „House of Cards“ bekannt ist, zerstören und ein Netflix-Konzern, der förmlich durchdreht und den Schauspieler sofort der Guillotine, welche seiner Karriere in Hollywood den Garaus machen wird, ausliefert.

Abschließend bleibt zu sagen, dass ein langsameres, professionelleres Vorgehen, durch welches die Anschuldigungen gegen Kevin Spacey richterlich geprüft und ausgehandelt worden wären, um ein Urteil im „Fall Kevin Spacey“ zu erzielen, meiner Meinung nach, an der Tagesordnung hätte sein müssen. So wirkt das Verhalten vom amerikanischen Riesenkonzern hilflos und begibt sich auf das Niveau eines Kleinkindes, das nicht weiß, wie mit Problemen, wie dem Aufteilen untereinander, umzugehen ist. Nur hier ist es nicht das gemeinsame Aufteilen, sondern die vergleichsmäßige Belanglosigkeit eines sexuellen Vorwurfs, die der großartigen, vollendeten Kunst eines Schauspielers entgegensteht. Netflix‘ abschließende Entscheidung im Bezug auf dieses Dilemma ist daher, folglich, nicht der Anerkennung wert  und ist ein zerstörerisches und fahrlässiges Unterfangen im Bezug auf Kevin Spacey’s bisher vollbrachte Schauspielarbeit, sowie ein verantwortungsloses Verhalten gegenüber den möglichen Opfern von Kevin Spacey, die nicht eines Wortes gewürdigt werden und somit quasi unter den Tisch fallen.

Simon Tritschler, Klasse 9a

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