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„Der frische, geile Wind“ – Premiere von „Unterm Novembermond“ am 28.11.2017

Das Theaterstück „Unterm Novembermond“, erstmals in der Geschichte der Theater-AG basierend auf einem bereits bestehenden gesellschaftskritisch-satirischen Drama, welches bereits 1891 erstmals unter dem Namen „Frühlings Erwachen“ erschienen ist, hatte am 28.11. an unserer Schule seine Premiere.

Die Aula war zur Premiere fast vollständig besetzt – bei den folgenden Aufführungen vom 30.11. sowie vom 01.12. war ebenfalls reichlich Publikum vertreten. Die Schauspieler, allesamt tätig in der Theater-AG, übten und probten in „spielzeit 16/17“ ihre Eigenproduktion „Unterm Novembermond“ fleißig ein, bei der Aufführung war zu sehen, dass jeder einzelne der jungen Schauspieler leidenschaftlich und mit Spaß in der Theater-AG mitwirkte. Einige Schüler waren zur aktuellen Spielzeit erst neu dazugekommen, andere wiederum sind schon länger dabei.

Direkt zu Beginn des Stückes entsteht ein fesselnder Mittendrin-Effekt, indem die trauernden Freunde allesamt mit schwarzen Regenschirmen vor einem Grab stehen. Atmosphärisch untermalt wird dieses Debüt durch den Song „November Rain“. Anschließend wird die Vorgeschichte dieser Szene wie folgt aufgerollt: Inmitten der Themen Leistungsdruck in der Schule und klassischen Teenager-Problemen wie dem Verliebtsein oder der turbulenten Beziehungen zwischen Kind und Elternteil, welche sich, gelungen inszeniert im typischen Schulalltag, durch das ganze Stück ziehen, braucht es nicht viel Kontext, um die Handlung des Stückes zumindest zu Beginn zu begreifen.

Inszeniert wird das Teenagerdasein von den 9 Mädchen und den 6 Jungs, welche sich während des gesamten Stückes in einer oder um eine Schule aufhalten und im Wechsel die Rolle der Protagonisten Melchior, Moritz und Wendla einnehmen. Gelungen erscheint hier besonders die symbolische rote Kleidung, die den jeweiligen Jugendlichen nicht nur äußerlich hervorhebt, sondern gleichsam sein Schicksal vorausdeutet.

Während des gesamten Theaterstückes wird der Zuschauer von einem „Chorus“, bestehend aus 8 Schauspielern, begleitet. Meist halten diese sich auf den beiden Gerüsten rechts und links von der Hauptbühne auf. Die schwarz kostümierten Chorus-Mitglieder kommentieren das Geschehen und geleiten den Zuschauer durch das Stück. Auch der Übergang des ursprünglichen Chorus zur Rolle der Lehrer, die den Jugendlichen ihre unaufgeklärte und unerbittliche Moral entgegenstellen, war gelungen und es traten keine Verständnisprobleme auf.

Statt der ursprünglichen Aufklärungsschrift im Drama, veröffentlicht der Junge Melchior seine „geilen Gedichte“ mit sexueller Metaphorik – auch hier ist die Abwandlung vom Original zwar eindeutig durch das aus der Moderne implementierte Verhalten der Schüler merkbar, aber dank der Auswahl der Gedichte, unter anderem eines des Autors Wedekind selbst, dem konservativen Bühnenbild und einer sehr charakterisierenden Kostümierung der Jugendlichen, schafft man ein durchaus überzeugendes Zusammenspiel zwischen der damaligen Kaiserreichsgesellschaft und der Neuzeit.

Dass ein solches Zusammenspiel sich aber als schwierig erweisen kann, erkennt man ganz besonders an einer Szene im Stück: Die Mädchen laufen, inmitten vom Regen, gemeinsam zu einer Bushaltestelle und warten dort vergeblich auf einen Bus. Gleichsam nutzen sie Handys und Google. Der Kontrast zwischen den Werten des 19. Jahrhunderts und der Moderne ist hier etwas sperrig und oberflächlich geraten, die Bushaltestelle passt weder in das Bühnenbild noch in die Kostümgestaltung des Theater-Ensembles und auch die neuen Medien wollen sich hier nicht so recht in die Szenerie integrieren.

Der Selbstmord des Jungen Moritz sowie der Suizid des Mädchens Wendla und die daraus schlussfolgernde Begegnung Melchiors mit dem „vermummten Herrn“, der hier mit den Einzelkomponenten des Lebens (Freiheit, Selbstbestimmung & Liebe) dargestellt wurde statt wie im Original nur mit einer einzigen Figur, war der gelungene Höhepunkt des Theaterstückes.

Zum Schluss ist zu sagen, dass das Stück, trotz seiner teilweise sperrigen Übergänge von der Kaiserreichsgesellschaft zur Neuzeit, ein wahres Meisterwerk ist. Nicht nur ein Meisterwerk auf dem Papier findet man hier vor – die Inszenierung der verschiedenen Charaktere im Stück von den Schauspielern der Theater-AG des BurgGymnasiums war atemberaubend und hebt die Messlatte für zukünftige Aufführungen der Theater-AG auf ein hohes Niveau an.

Simon Tritschler, Klasse 9a