ArtikelBurgStatement

Zum 9. November 1938

Heute jährt sich die Reichspogromnacht 1938, jener grauenhafte Tag antisemitischer Ausschreitungen, der uns heute angesichts der Konflikte des Krieges in Gaza und der wachsenden Judenfeindlichkeit in Deutschland präsenter denn je ist.

Vor einigen Jahren hatte eine Schülerin des BurgGymnasiums das große Glück, mit der Holocaust-Überlebenden Margot Wicki-Schwarzschild zu sprechen. Als Kind erlebt die damals Siebenjährige die Geschehnisse in Kaiserslautern:


„Eines sehr frühen Morgens, bei Nacht und Nebel, am 22. Oktober 1940, wurden wir jäh aus dem Schlaf gerissen: Stiefelgetrampel und lautes Klopfen an der Wohnungstür. Ich sah meine Eltern erbleichen, zu Tode erschrecken. Nun schien es so weit zu sein … In der Tür standen Gestapo-Leute in Zivil. In barschem Ton forderten sie uns auf, das Wichtigste zu packen, pro Person war ein Koffer erlaubt. Wir hätten das ’Reichsgebiet‘ zu verlassen. In einer Stunde mussten wir bereit sein. Ich sah meinen Vater zittern, meine Mutter weinen. (…) So standen wir Hausbewohner des Judenhauses, zusammen mit unserer fast 80jährigen Großmutter, eine Stunde später übernächtigt und blass bereit zum Abtransport. (…) Rechtlos und wehrlos wurden wir mit einem Autobus in eine Wirtschaft am Rande der Stadt, der Löwenburg, gefahren. Viele andere Juden aus der Region saßen bereits trostlos herum, ständig wurden neue herangeschleppt. Es kamen Kleinkinder, Kinder, Erwachsene, alte und kranke Menschen. Zwei Großtanten meines Vaters aus Gaugrehweiler, klein und gebrechlich, wurden von Sanitätern auf den Armen hereingetragen, weil die gehbehindert waren. Sie haben den Transport nicht überstanden. Wir wissen nichts über ihren Verbleib. Jedenfalls kamen sie nie in Gurs an.
Der Tag in der Löwenburg wollte nicht vergehen. Ratlosigkeit, Angst, Fassungslosigkeit, Ohnmacht, Empörung – alle Facetten der Gefühlsbewegungen standen den Menschen ins Gesicht geschrieben. Niemand wusste, wohin es ging, niemand wurde informiert. Erst als den Leuten das Bargeld abgenommen und ein bestimmter Betrag in französischer Währung ausgehändigt wurde, sickerte es durch: Sie werden uns nach Frankreich schicken.“

Wir möchten an diesen Tag erinnern und dazu aufrufen, niemals zu vergessen und dafür Sorge zu tragen, dass sich ein solch dunkles Kapitel deutscher Geschichte niemals wiederholt.

Perspektive

Aus: Roland Paul: „Die Deportation der Juden aus der Pfalz nach Gurs in Südfrankreich am 22. 10. 1940“, in: Pfalzatlas, Textband IV, 53. Heft, Speyer, 1991.

Foto: Zerstörte Synagoge in Kaiserslautern, Stadtarchiv